Restaurieren


Bild oben:  Die Front eines Wandschranks aus dem Stift Kremsmünster (Österreich) ist ein seltenes Stück aus der späten Gotik (15.Jh.). Warum ist es bewusst so belassen worden?

Wenn Du einmal ein solches Stück bekommst, musst Du zunächst folgende Frage klären:

1.       Handelt es sich um ein ausschließlich persönlich wertvolles Möbel?
Dann wird es meistens lediglich „aufgearbeitet“.

2.       Handelt es sich dagegen um ein historisch wertvolles Beispiel einer Stilepoche, dann wird es entweder „konserviert“ oder „restauriert“.

 

Was bedeuten diese 3 Aufgabenbereiche genau?

Persönlich wertvolle Möbel (Erbstücke) sollen den Besitzer erinnern. Der Geruch in dem Schrank der Oma erinnert daran, wie man als Kind dort gewesen ist und was man dabei erlebt hat. Dem Besitzer des Erbstücks genügt es oft, dass der Verfall des Möbels (z.B. Wurmfraß) gestoppt und das ursprüngliche Aussehen wieder hergestellt wird.

Fehlstellen können deshalb wie bei neuen Möbeln auch mit Wachs oder Kitt ausgespachtelt werden. Das Möbel braucht lediglich so aussehen, wie es einmal gewesen ist. Man nennt das „Aufarbeiten“.

Historisch wertvolle Möbel müssen insgesamt vollständig echt sein, also nicht bloß so aussehen. Wenn ich zerstörte Teile ersetzen oder fehlende Teile ergänzen muss, sind sie auf jeden Fall neu. Hier muss zwischen zwei Verfahren abgewogen werden:

1.       Restaurieren: Ich kann den ursprünglichen Zustand restaurieren. Das heißt, dass ich möglichst altes Holz verwende und es mit den Techniken bearbeite, die in der Zeit verwendet wurden, als das Möbel gebaut worden ist. Das fängt beim Herstellen eines Brettes an und geht über die Konstruktion bis zur Überzugstechnik (Oberflächenbehandlung).

2.       Konservieren: Beim Restaurieren begehe ich streng genommen dennoch eine Fälschung, weil die erneuerten Teile vortäuschen, ursprünglich zu sein. Später können neue Teile von alten optisch zwar nicht unterschieden werden; eine Kohlenstoffanalyse zur Altersbestimmung oder die Geschichte, die das Möbel erlebt hat ist dann kaum noch nachvollziehbar.

Bei ganz wertvollen, seltenen Möbeln wird daher nur konserviert: Der Verfall wird gestoppt. Teile werden nur erneuert, wenn man sich sonst nicht mehr vorstellen kann, wie das Möbel einmal insgesamt ausgesehen hat. Die erneuerten Teile werden dann aber bewusst durch eine andere Farbgebung (andere Holzart) als Erneuerung sichtbar gemacht.

 

Um einschätzen zu können, wie wertvoll das oben abgebildete Möbel ist, muss man sich in der Geschichte des Möbelbaus sehr gut auskennen.

Da Du selbst kein Labor zur Altersbestimmung von Möbeln hast, ist für Dich die Altersbestimmung von Möbel schwierig.

Du kannst aber versuchen, bestimmte ältere Epochen auszuschließen, wenn Du folgendes weißt:Ab wann wurden die Materialien (Holzarten, Holzwerkstoffe) verwendet?

  • Ab wann wurden die Verbindungstechniken verwendet?
  • Ab wann wurden die Klebstoffe und Überzugsmittel verwendet?
  • Ab wann wurden die Werkzeuge verwendet, deren Spuren Du findest?

Oft stellst Du fest, dass das Möbel später umgebaut wurde. Es beginnt Geschichten aus alten Zeiten zu erzählen.
Aber was machst Du nun damit?
Nimmst Du die späteren „Restaurierungen“ und „Modernisierungen“ zurück und lässt nur,
was ursprünglich ist?
Oder reparierst Du im Sinne von „Aufarbeitung“?

 

Der Möbelbau hat in der Regel den Steinbau als Epoche nachgeahmt

Hier bekommst Du zunächst einen Überblick über die wichtigsten Stilepochen.

Die Jahreszahlen der Stilepochen überschneiden sich:

Man kann sie nicht genau angeben, weil zum Beispiel die Renaissance in Italien schon begonnen hatte, als man in Norddeutschland noch mittelalterlich gebaut hat. Genauso gab es schon damals Kunden (Auftraggeber), die zwar eine moderne Bauweise wünschten, die Zierformen sollten jedoch „wie früher“ sein.

  • 0800 – 1200      Romanik (frühes Mittelalter)
  • 1200 – 1500      Gotik (Spätmittelalter)
  • 1428 – 1650      Renaissance (beginnende Neuzeit, frühbürgerliche Revolution)
  • 1590 – 1650      Manierismus als Übergangszeit zur nächsten Epoche
  • 1650 – 1774      Barock (Feudalzeit)
  • 1730 – 1774      Rokoko / Louis XIV als Endform des Barocks
  • 1750 – 1830      Klassizismus
  • 1800 – 1815      Empire
  • 1815 – 1860      Biedermeier
  • 1850 – 1900      Historismus
  • 1880 – 1915      Jugendstil, Art Nouveau, Wiener Sezession, am Ende: Art Decó
  • 1920 – 1933      Bauhaus
  • 1933 – 1945      Neo-Klassizismus (Nazizeit), Stalinismus
  • 1950 – 1980      Moderne (50er, 60er und 70er Jahre)
  • 1980 – 1990      Postmoderne (80er und frühe 90er Jahre)

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